Bei der Kundgebung gegen die AfD am 8. August 2017 in Münster-Hiltrup haben wir einen Redebeitrag gehalten, den wir im folgenden dokumentieren.
Liebe Freundinnen und Freunde,
wenn wir heute hier in Hiltrup gemeinsam gegen den Wahlkampfauftakt der „Alternative für Deutschland“ demonstrieren, dann tun wir das in dem Stadtteil von Münster, in dem in den letzten beiden Jahren die meisten rechten Straftaten verübt wurden. Im April und im Juni letzten Jahres wurden zwei Brandanschläge auf eine Unterkunft für Geflüchtete verübt, es wurden rassistische Parolen auf die Stadthalle geschmiert und erst im Juli diesen Jahres wurde der Gedenkstein für die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen des Waldlagers in Hiltrup von Unbekannten schwer beschädigt. Doch diese Taten sind weniger ein Hiltruper Charakteristikum, als vielmehr ein Beleg dafür, dass rechter Populismus und rassistische Hetze zu rechter Gewalt führen. Die beiden Brandstifter von Hiltrup, zwei junge Männer aus dem Stadtteil, sind mittlerweile verurteilt worden. Während der Verhandlung gaben sie an, sie hätten die Feuer gelegt, um die Frauen in der Nachbarschaft vor den Geflüchteten zu beschützen. Angesichts der Ereignisse der Silvesternacht 2016 in Köln hätten sie sich zum Handeln gezwungen gesehen.
Die sexualisierte Gewalt am Kölner Hauptbahnhof führte nicht dazu, dass die bitter notwendige Debatte über den Zusammenhang von sexualisierter Gewalt und strukturellem Sexismus, alltäglicher Benachteiligung von Frauen und Transgender und dem Fortbestehen patraiarchaler Machtstrukturen im Kapitalismus geführt wurde. Stattdessen nutzten rechte Parteien und Gruppen die Situation, um massiv Stimmung gegen Geflüchtete zu machen, diese zu dämonisieren und pauschal als Bedrohung für die hier lebenden Menschen – primär jedoch für die weiße Mehrheitsgesellschaft – darzustellen. Ganz vorne mit dabei: Die AfD.
Bereits wenige Stunden nach den ersten Meldungen hatten sich nahezu alle Parteigrößen in den sozialen Medien geäußert und dabei gegenseitig an Zynismus, Menschenverachtung und klammheimlicher Euphorie ob der medialen Resonanz übertroffen. Dabei war sich die extreme Rechte von der AfD bis hin zu militanten Neonazis einig: Deutschland – vor allem jedoch die „deutsche blonde Frau“ – wäre schutzlos gewalttätigen Eindringlingen ausgesetzt und müsste mit allen Mitteln verteidigt werden. Ein Narrativ, das schnell Wirkung zeigte: Die Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte hielten an, bis zum Ende des Jahres 2016 zählte die Polizei über 3500 Angriffe mit mehr als 560 Verletzten.
Die Täter und Täterinnen sahen sich dabei oft als Vollstrecker und Vollstreckerinnen eines Volkswillens oder Beschützer und Beschützerinnen der hier lebenden Menschen, insbesondere der Frauen. Eine Deutung, die auch gut zum reaktionären Familienbild der AfD passt, in dem der Mann als Ernährer und Beschützer der Familie fungiert, während die Frau auf eine Rolle als Mutter – und oftmals Hausfrau – reduziert wird.
Ein weiteres Thema auf der Agenda der AfD ist die deutsche Geschichts- und Gedenkpolitik. Hier wird versucht, das notwendige und aktive Erinnern und Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in den Hintergrund zu drängen und auf eine Randnotiz der deutschen Geschichte zu reduzieren. Stattdessen sollen lieber positive Aspekte deutscher Geschichte in den Vordergrund gerückt werden. Dabei geht es der AfD mitnichten um ein „differenzierteres“ Geschichtsbild wie der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen es gerne umschreibt: Gemäß der eigenen völkisch-nationalistischen Ideologie will die AfD einen unbestritten positiven Bezug zur deutschen Nation durchsetzen, die Erinnerung an die unzähligen durch die Deutschen oder ihre Verbündeten begangenen Verbrechen stören dabei nur.
Dabei ist es beileibe nicht nur der thüringische Landesvorsitzende Björn Höcke, der mit seiner Forderung nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ den erneuten Tabubruch wagte. Spitzenkandidat Alexander Gauland bezeichnete Auschwitz als etwas mit dem man sich „herumschlagen“ müsste und das ihn nicht mehr berühre. Spitzenkandidatin Alice Weidel redete jüngst vom sogenannten „Schuldkult“ und der heute hier auftretende NRW-Spitzenkandidat Martin Renner bezeichnet die Entnazifizierung gerne als Versuch der Allierten, die deutsche Identität zu zerstören. Diejenigen, die vor knapp drei Wochen den Gedenkstein für NS-Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Hiltrup attackierten, hatten vermutlich ähnliche Ansichten und Ziele.
Rechte Agitation und rassistische Hetze wirken zudem auf den gesellschaftlichen und politischen Diskurs. Seit der sogenannten „Flüchtlingskrise“ 2015, die man korrekterweise als Krise der Humanität in den europäischen Staaten bezeichnen sollte, versuchen die etablierten Parteien, einen Verlust von Stimmen an rechte Parteien wie die AfD zu verhindern, indem sie Teile ihrer Interpretationen und Forderungen übernehmen und damit legitimieren.
Seit zwei Jahren erleben wir, wie die AfD sich mit gezielten und inszenierten „Tabubrüchen“ immer wieder mediale Aufmerksamkeit sichert und dabei die Grenzen des Sagbaren Stück für Stück weiter verschiebt. Wir erleben aber auch, wie sich die Positionen aller anderen etablierten Parteien ebenfalls nach rechts verschieben oder zumindest Stimmen zulassen, die eine solche Verschiebung fordern.
Wir erleben knapp 25 Jahre nach den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen und den Morden in Solingen, wie als Reaktion auf rassistische Gewalt und humanitäre Katastrophen die Asylgesetzgebung verschärft wird. Wir erleben, wie Menschen in Kriegsgebiete abgeschoben werden, die der deutsche Innenminister nur ohne Ankündigung und mit Stahlhelm betritt.
All das zeigt, wie weit sich der gesellschaftliche Diskurs nach rechts verschoben hat ohne dass es die Beteiligten zu kümmern scheint. Angesichts des kommenden Wahlkampfes ist ein Ende dieser Verschiebung und der damit verbunden Verrohung unserer Gesellschaft nicht in Sicht.
Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir uns rechten Parteien und rassistischer Hetze entschlossen entgegen stellen! Wir müssen deutlich machen, dass Nationalismus und Rassismus keine Alternative für irgendwen oder irgendwas sind!
Was aus guten Gründen lange Zeit als Unsagbar galt, muss auch wieder inakzeptabel werden – egal ob auf der Straße, bei der Arbeit oder im Parlament! Wenn wir der AfD die Räume nehmen, senden wir damit auch ein klares Signal an alle anderen Parteien. Deshalb: Beteiligt euch an Aktionen gegen den Wahlkampf der AfD, geht auf die Straße, diskutiert mit euren Freunden und Freundinnen und macht dabei klar:
Keine Stimme dem Nationalismus – Keine Stimme dem Rassismus – Keine Stimme dem Chauvinismus – Keine Stimme der AfD!